Eine Unfallursache kommt selten allein
Berlin/Bonn (RPO). Die Tendenz bei den Verkehrsunfällen auf deutschen Straßen ist rückläufig. Dazu beigetragen haben die verbesserten Karosserien und Sicherungssysteme im Auto. Dennoch ist das subjektive Bedrohungsempfinden der Autofahrer nach wie vor hoch.
Wenn es etwas gibt, das wohl jeder Autofahrer auf jeden Fall vermeiden will, dann ist es ein Unfall. Denn schwere Kollisionen werden auch in Zeiten von Airbags und ESP nicht immer unversehrt überstanden. Um aber das Risiko eines Zusammenstoßes und auch möglicher Verletzungen zu minimieren, reicht es nicht, einfach nur die Augen offen zu halten - obwohl das schon einmal ein guter Anfang wäre.
Tatsächlich hängt der sichere Weg zum gewünschten Ziel von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dazu gehören die eigene Umsicht ebenso wie die Straße, die Gesundheit oder aber auch das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer.
Aggressives Verhalten
Das Bewusstsein in Sachen Unfallrisiko ist bei den Menschen nicht einmal von der tatsächlichen Gefahr abhängig. So sollte man grundsätzlich meinen, dass Autofahrer sich in den modernen Karossen besser geschützt fühlen, als noch vor ein paar Jahren. "Die allgemeine Entwicklung zeigt jedoch, dass das subjektive Bedrohungsgefühl im Straßenverkehr gestiegen ist", erklärt Marion Steinbach, Sprecherin der Deutschen Verkehrswacht (DVW) in Bonn. Gründe dafür seien das immer höhere Verkehrsaufkommen sowie ein nicht selten aggressives Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer.
Die Entwicklung der Unfallzahlen kann kaum Grund für das Gefühl sein, sich im Straßenverkehr stärker bedroht zu fühlen. "Insgesamt ist bei den Verkehrsunfällen eine rückläufige Tendenz festzustellen", so Steinbach. Was sich anhand aktueller Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden belegen lässt: Demnach wurden im Jahr 1992 noch 395.462 Unfälle mit Personenschaden gezählt, im Jahr 1998 waren es 377.257 und im Jahr 2006 ging die Zahl auf 327.984 zurück. Noch stärker ist der Rückgang bei den Verkehrstoten: Hier weist die Statistik für das Jahr 1992 eine Zahl von 10.631 aus. 1998 waren es noch 7792 und im Jahr 2006 mit 5091 nur noch knapp halb so viele Verkehrstote wie 1992.
2007 wieder mehr Verkehrstote
Doch die grundsätzlich positive Tendenz bedeutet nicht, dass die Zahlen auf jeden Fall immer weiter sinken werden. Denn Unfälle sind eben von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die sich manchmal erst auf den zweiten Blick erschließen. "Aktuell ist festzustellen, dass die Zahl der Verkehrstoten im Frühjahr 2007 wieder angestiegen ist", sagt Klaus Brandenstein, Sprecher des Verkehrstechnischen Institutes der deutschen Versicherer in Berlin. Ein Grund: Der warme Winter. Ist das Wetter gut, sind mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. "Und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bedeutet dann im Endeffekt auch mehr Unfälle." Sogar eine anspringende Konjunktur und damit mehr Transportverkehr auf den Straßen kann die Unfallgefahr beeinflussen.
Auch wenn solche Zusammenhänge logisch erscheinen, ist dem Autofahrer aber nicht automatisch bewusst, dass ein höheres Unfallrisiko besteht, wenn er zum Beispiel an einem sonnigen Februartag ins Auto steigt. Bewusst sein sollte ihm jedoch, dass die mögliche Gefahr sehr stark auch vom eigenen Verhalten abhängt. Denn ein großer Teil der Kollisionen ist auch heute noch die Folge längst bekannter Fehler und Nachlässigkeiten - zum Beispiel das Tempo. "Die nicht angepasste Geschwindigkeit liegt immer noch mit 16,8 Prozent auf Platz Eins der Unfallursachen", sagt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Bonn.
Unfall-Klassiker
Auf den weiteren Plätzen folgen nach DVR-Angaben ebenfalls Klassiker: Nummer Zwei der häufigsten Unfallursachen sind demnach mit 15,2 Prozent die Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärts-Fahren. Auf dem dritten Platz folgt das Missachten der Vorfahrt mit 14,6 Prozent. Erst auf dem sechsten Platz findet sich hingegen mit 6,5 Prozent das Thema Alkohol und Drogen am Steuer.
Solche Zahlen wiederum sind aber auch noch von anderen Faktoren abhängig - unter anderem davon, wer am Steuer sitzt, wo er unterwegs ist und welche Tageszeit gerade herrscht. So gilt, dass gerade die recht jungen und die alten Verkehrsteilnehmer besonders gefährdet sind, allerdings jeweils in unterschiedlicher Position. "Rund 50 Prozent der getöteten Fußgänger und Radfahrer sind älter als 65 Jahre", so Klaus Brandenstein. Am Steuer dagegen sind vor allem junge Menschen gefährdet. "Es sind ganz klar die jungen Fahrer, die am meisten in Unfälle verwickelt werden", sagt Marion Steinbach. Was sich auch in Zahlen zeigt: "Junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren stellen nur 8 Prozent der Bevölkerung, haben aber einen Anteil von 20 Prozent an den Verkehrstoten", erklärt Sven Rademacher.
Erhöhtes Unfallrisiko
Im Endeffekt sind es dann meist die vielen verschiedenen Faktoren, die zusammen genommen das Unfallrisiko erhöhen: Ein älterer Mensch, der eine unübersichtliche Straße in dunkler Kleidung am Abend wegen körperlicher Einschränkungen nur langsam überqueren kann. Ein höheres Risiko hat auch ein junger Fahrer, der mit einem alten und schlecht gewarteten Fahrzeug unter Alkoholeinfluss mit überhöhtem Tempo eine Landstraße entlang rast, die von mächtigen Bäumen gesäumt ist.
Nur wer all diese Risiken berücksichtigt, kann seine Chance verbessern, nicht in einen schweren Unfall verwickelt zu werden. Allerdings müssen auf der anderen Seite auch die Unfallforscher und Straßenplaner ihre Arbeit machen und mögliche Unfallschwerpunkte durch geeignete Maßnahmen entschärfen. Auch hier gibt es aber Grenzen.
Quelle: RP-Online.de