Es immer gut sein Land auch von außen zu betrachten und nicht alles Gottgegeben hinzunehmen.
Angesichts der Flüchtlingswelle haben die Medien, besonders in Deutschland, die kritische Distanz verloren.
Die Berichterstattung geriet zur Kampagne.
Deutsche «Sommermärchen» dauern offenbar immer vier Wochen. Das war bei den Fussball-Weltmeisterschaften 2006 und 2014 so,
und das scheint jetzt auch für die «Willkommenskultur» für Migranten zu gelten. Wo Leitmedien gerade noch affirmativ
das «neue, lichte Deutschland» feierten («Der Spiegel»), das Zuwanderung fast unbeschränkt zulässt, dominieren jetzt Schlagzeilen
wie «Deutschland muss Deutschland bleiben» («FAZ»), «Nur die ‹Festung Europa› kann jetzt noch Leben retten» («Die Welt») oder
«Wir schaffen es doch nicht» («***deutsche Zeitung»). Im ARD-«Presseclub» sprach eine Journalistin am letzten Sonntag von der
«Besoffenheit», in der Politik und Medien in den letzten Wochen ihre Entscheidungen getroffen hätten.
Noch nie war Angela Merkel eine so unkritisch angehimmelte Kanzlerin wie in den Wochen der Flüchtlingskrise. Ein Kommentator
der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» schwärmte in purem Kitsch davon, wie «einfühlsam und lieb» doch die Kanzlerin
mit Flüchtlingskindern umgehe.
Diese Berichterstattung hat viele blinde Flecken.
Die heftig beschworene europäische Lösung wird kaum kritisch befragt.
Die PR-Auftritte von Grossfirmen, die ihre Freude über die neuen Mitarbeiter äussern, die über die Grenzen drängen, finden nur
vereinzelt Widerspruch. Wer mit welchen Qualifikationen über die Grenzen drängt, was sich unter den ethnisch und kulturell
gemischten und oft verfeindeten Migranten abspielt und wie die daraus zu formende multikulturelle Gesellschaft aussehen wird,
solche Fragen wurden lange ebenso marginalisiert wie die Kriminalität im Umfeld der Aufnahmelager.
Zu voller kritischer Wucht läuft man dagegen auf, wenn es den «Kampf gegen rechts» aktivistisch zu befördern gilt.
Sprachregelungen sind etabliert, Meinungskontrollen im Netz mit nachfolgender Denunziation beim Arbeitgeber werden empfohlen,
Zensurforderungen sind gesellschaftsfähig. Sie finden Widerspruch nur bei unabhängigen Aussenseitern . Auch eine komplex
angelegte Dokumentation wie der «Flüchtlingsreport» der ARD ist trotz einigen sachlichen Passagen insgesamt misslungen.
Die Sendung bleibt fixiert auf die Perspektive der Einwanderer. Kritiker und Gegner erscheinen als randalierender Pöbel
mit «Hasssprache». Als Expertin wird die ehemalige Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane bemüht, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung,
in der heute als «Fachreferentin für Hate-Speech» eine Julia Schramm arbeitet, die selber durch hasserfüllte Tweets, etwa gegen die Erinnerung an die Opfer der Bombardierung Dresdens, bekannt wurde.
Für den Historiker Jörg Baberowski muss dabei nicht nur über die technische Bewältigung der Masseneinwanderung geredet werden,
sondern vor allem über die politische Frage «Wollen wir sie auch bewältigen?».
Das zielt auf eine Repolitisierung der Einwanderungsdebatte ohne Denkverbote und den Druck angeblicher Alternativlosigkeit.
Das «Sommermärchen» wäre damit auch medial beendet.
http://www.nzz.ch/feuilleton/medien/...her-1.18615593
- - - Aktualisiert - - -
Es immer gut sein Land auch von außen zu betrachten und nicht alles Gottgegeben hinzunehmen.
Angesichts der Flüchtlingswelle haben die Medien, besonders in Deutschland, die kritische Distanz verloren.
Die Berichterstattung geriet zur Kampagne.
Deutsche «Sommermärchen» dauern offenbar immer vier Wochen. Das war bei den Fussball-Weltmeisterschaften 2006 und 2014 so,
und das scheint jetzt auch für die «Willkommenskultur» für Migranten zu gelten. Wo Leitmedien gerade noch affirmativ
das «neue, lichte Deutschland» feierten («Der Spiegel»), das Zuwanderung fast unbeschränkt zulässt, dominieren jetzt Schlagzeilen
wie «Deutschland muss Deutschland bleiben» («FAZ»), «Nur die ‹Festung Europa› kann jetzt noch Leben retten» («Die Welt») oder
«Wir schaffen es doch nicht» («***deutsche Zeitung»). Im ARD-«Presseclub» sprach eine Journalistin am letzten Sonntag von der
«Besoffenheit», in der Politik und Medien in den letzten Wochen ihre Entscheidungen getroffen hätten.
Noch nie war Angela Merkel eine so unkritisch angehimmelte Kanzlerin wie in den Wochen der Flüchtlingskrise. Ein Kommentator
der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» schwärmte in purem Kitsch davon, wie «einfühlsam und lieb» doch die Kanzlerin
mit Flüchtlingskindern umgehe.
Diese Berichterstattung hat viele blinde Flecken.
Die heftig beschworene europäische Lösung wird kaum kritisch befragt.
Die PR-Auftritte von Grossfirmen, die ihre Freude über die neuen Mitarbeiter äussern, die über die Grenzen drängen, finden nur
vereinzelt Widerspruch. Wer mit welchen Qualifikationen über die Grenzen drängt, was sich unter den ethnisch und kulturell
gemischten und oft verfeindeten Migranten abspielt und wie die daraus zu formende multikulturelle Gesellschaft aussehen wird,
solche Fragen wurden lange ebenso marginalisiert wie die Kriminalität im Umfeld der Aufnahmelager.
Zu voller kritischer Wucht läuft man dagegen auf, wenn es den «Kampf gegen rechts» aktivistisch zu befördern gilt.
Sprachregelungen sind etabliert, Meinungskontrollen im Netz mit nachfolgender Denunziation beim Arbeitgeber werden empfohlen,
Zensurforderungen sind gesellschaftsfähig. Sie finden Widerspruch nur bei unabhängigen Aussenseitern . Auch eine komplex
angelegte Dokumentation wie der «Flüchtlingsreport» der ARD ist trotz einigen sachlichen Passagen insgesamt misslungen.
Die Sendung bleibt fixiert auf die Perspektive der Einwanderer. Kritiker und Gegner erscheinen als randalierender Pöbel
mit «Hasssprache». Als Expertin wird die ehemalige Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane bemüht, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung,
in der heute als «Fachreferentin für Hate-Speech» eine Julia Schramm arbeitet, die selber durch hasserfüllte Tweets, etwa gegen die Erinnerung an die Opfer der Bombardierung Dresdens, bekannt wurde.
Für den Historiker Jörg Baberowski muss dabei nicht nur über die technische Bewältigung der Masseneinwanderung geredet werden,
sondern vor allem über die politische Frage «Wollen wir sie auch bewältigen?».
Das zielt auf eine Repolitisierung der Einwanderungsdebatte ohne Denkverbote und den Druck angeblicher Alternativlosigkeit.
Das «Sommermärchen» wäre damit auch medial beendet.
http://www.nzz.ch/feuilleton/medien/...her-1.18615593