Gekaufte Journalisten: Ich weiß Dinge, die ihr niemals glauben würdet
"Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken":
Schon der Untertitel des Bestsellers "Gekaufte Journalisten" sollte misstrauisch machen.
Kann man Udo Ulfkotte trauen?
Der Kopp Verlag, ein auf Esoterik, Verschwörungstheorien und Desinformation spezialisiertes Unternehmen aus dem schwäbischen Rottenburg, hat gerade ein neues Buchgenre erfunden: den "heimlichen" Bestseller. Angeblich "totgeschwiegen von den deutschen Massenmedien", doch redlich gewürdigt von "vielen Journalisten aus dem Ausland und Internetbloggern", habe sich, so der Verleger Jochen Kopp, Udo Ulfkottes Buch "Gekaufte Journalisten" (336 S., 22,95 €) "rasch zu einem heimlichen Bestseller" entwickelt. Mysteriös. Man dachte, nur Lyrikbände können unbemerkt erscheinen. Wer Bestseller für heimlich erklärt, könnte genauso gut das Wetter für heimlich erklären. Steht die Kategorie des Verkaufserfolgs nicht für alles außer Unauffälligkeit?
Doch ohne unterstellte Heimlichkeit geht nichts im Weltbild dieses Verlages: Wer den aktuellen Katalog durchblättert, stößt auf jede Menge "streng geheime Orte, die die Regierungen vor Ihnen verbergen wollen". Geheimnisvolle Prophezeiungen. Wohin man schaut: Lauter "Dinge", "Bilder", "Texte, die es nicht geben dürfte". Gibt es sie doch, ist man garantiert "Falsch informiert!" (Erich von Däniken).
"Falsch informiert" als Riesenmarkt
Man soll das Marktsegment nicht totschweigen, das wäre weiteres Wasser auf seine Mühlen. Dass es "da draußen" einen Riesenmarkt für Übersinnliches, Irrationales und Extrarationales gibt, davon kündet nicht nur jeder religiöse Pilgerort. Der berühmte "Blade Runner"-Satz "Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet" fasziniert uns ja letztlich alle. Wie ein Replikant der Mediengesellschaft geriert sich Ulfkotte, wenn er uns jetzt zuraunt: Ich weiß Dinge über den Journalismus, die ihr niemals glauben würdet.
Man hat verschiedene Möglichkeiten, mit so einem Buch umzugehen: Sachlich wie der Medienjournalist Stefan Niggemeier auf der Plattform "Krautreporter"? Er hat dabei etliche falsche Fakten entlarvt, allerdings auch nur stichprobenartig. Niemand wird sich die Arbeit antun, ein solches Buch zur Gänze zu dekonstruieren. Denn das Prinzip ist schnell klar: Verschwörungstheorie trifft Medienkritik.
Kritikwürdige und tatsächliche Gefährdungen des Journalismus durch Lobbyarbeit, Netzwerke und Medienökonomie werden zu einem Ausmaß an Manipulation und Vertuschung erklärt, dass Öffentlichkeit nurmehr wie ein Riesen-Fake erscheint. Alles Lug, Betrug und Täuschung.
Foto: Kopp Verlag Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken. Kopp-Verlag, Rottenburg. 336 Seiten, 22,95 Euro.
Man kann den unheimlichen Erfolg von Ulfkottes Buch als Ausdruck einer allgemeinen Medienverdrossenheit lesen, wie es Leitartikler und Redner von Hans Leyendecker bis Frank-Walter Steinmeier getan haben. Aber: Man sollte sich von der kakofonischen Wucht, die entsteht, weil via Internet jeder mitpublizieren kann, nicht blenden lassen.
"Marktschreierischer Schwindel"?
Das kritische Gefühl, von der Öffentlichkeit manipuliert zu werden, ist ein Urinstinkt der bürgerlichen Öffentlichkeit. Auch wenn uns Jürgen Habermas das, wie Ulfkotte vielleicht schreiben würde, verheimlichte – es gab immer eine Gegenöffentlichkeit. Berserkerhafte Figuren, die mit Blick auf die veröffentlichte Meinung ihrer Zeit behaupten, dass wir in einer "Zeit des marktschreierischen Schwindels" leben, florierten zu allen Zeiten.
Um nur ein Beispiel aus den frühen Tagen der Massenmedien zu bringen: Schon 1872 publizierte ein Katholik namens August Reichensperger ein "Noth- und Hülfsbüchlein" für Zeitungsleser, um die angebliche Manipulation durch den um sich greifenden Liberalismus in Form von Schlagwort-Listen nachzuweisen. Es war die Zeit, als die partei- und konfessionsgebundene Presse gerade von der Generalanzeiger-Presse abgelöst wurde – und so manches vorgefertigte Weltbild ins Wanken kam.
Tendenziös sind dann immer alle anderen, nur nicht man selbst. Ähnlich agiert heute Ulfkotte, wenn er – rot umrandet und den eigenen Namen in Lettern wie "Der Spiegel" gesetzt – investigativ tut und uns bedeutet: Ulfkotte-Leser wissen mehr. Kritische Ulfkotte-Leser wissen hoffentlich noch mehr.
Quelle Welt.de
Interview vom 04.01.2015 --> Link