Gerade weil dort wenige Moslems leben, sind die Menschen dort besser in der Lage Fehlentwicklungen andererorts zu erkennen.
Besser als hier beschrieben könnte ich es auch nicht sagen.
Pegida hält der Politik einen unangenehmen Spiegel vor, in dem ihre eigenen Tabus sichtbar werden.
Das Tabu zum Beispiel, über die Probleme mit muslimischen Minderheiten in Deutschland lieber nicht zu reden.
Das Tabu, dass der moderne Islamismus für das 21. Jahrhundert eine ähnliche geopolitische Bedrohung darstellen
könnte wie es der Faschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert gewesen ist. Das Tabu, dass massenhafte
Einwanderung von Menschen muslimischen Glaubens weitreichende Folgen für Europa haben wird.
Das Tabu, dass es – vom Nikolausfest im Kindergarten über das Frauenbild bis zum Moscheenbau – eine alltägliche
und belastende Reibung zwischen westlicher Tradition und muslimischer Forderung gibt. Das Tabu, dass unsere
Einwanderungspolitik – ob sie es will oder nicht – am Ende doch Prioritäten setzen muss. Das Tabu, dass Deutschland
zwar ein weltoffenes Einwanderungsland sein sollte, aber nicht jeden Flüchtling dieser Welt einfach aufnehmen kann.
Das Tabu, dass die Mehrheit der Bevölkerung tolerant und weltoffen denkt und doch die eigene Kultur nur ungern
zugunsten anderer beschneiden lässt.
Indem die Politik kritische Auseinandersetzungen mit islamischer Einwanderung tabuisiert, schafft sie einen immer
größer werdenden Raum des Ungesagten. Das aber ist nicht gut für die Demokratie. Die obrigkeitsstaatliche Reaktion
der Politik lässt den Verdacht keimen, dass sie sich ertappt fühlt mit ihren Versäumnissen und ihren schablonenhaften Denk- und Sprechgeboten.
Es geht bei der Pegida-Debatte nicht um Rassismus, es geht um die Grenzen der politischen Korrektheit – also darum, was gesagt werden darf und was nicht.
Kurzum: Es ist ein Kulturkampf entbrannt. Der wird durch die Schande-und-Nazi-Nieten und Aufstand-der-Anständigen-Rhetorik
eher verschärft als entspannt. Auch die wohlfeile Ökonomisierung der Problemlage, es drehe sich bei den Protesten wohl um
soziale und wirtschaftliche Ängste, übersieht das Unübersehbare. Könnte es den Demonstranten – und mit ihnen einer
wachsenden Bewegung in ganz Europa – nicht tatsächlich um Kultur gehen? Um die schleichende oder drohende oder
auch nur gefühlt drohende Islamisierung?
Und wenn Hunderttausende neuer Flüchtlinge muslimischen Glaubens von den unmittelbar benachbarten, superreichen Golf-Emiraten
und von Saudi-Arabien abgewiesen und stattdessen gezielt auf den gefährlichen Weg nach Europa geschickt werden – dann
haben wir zwar die moralische und menschliche Aufgabe, den Notleidenden großzügig zu helfen. Aber eben auch eine Pflicht,
die politische Dimension dieses Problems und seiner Folgen auf die Tagesordnung zu nehmen.
Quelle:
Wolfram Weimer war Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt, des Politik-Magazins Cicero und des Focus. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.
http://www.handelsblatt.com/meinung/.../11161634.html