Nokia-Übernahme: Microsoft kopiert die Apple-Strategie:
Nokia, früher Weltmarktführer bei Handys, verkauft sein Geschäft mit Mobiltelefonen an Microsoft. Nicht nur für den finnischen Konzern ist das eine Zeitenwende - Microsoft könnte erstmals erfolgreich die Strategie von Apple und Google kopieren.
Hamburg - Als Stephen Elop im Herbst 2010 von Microsoft an die Spitze von Nokia wechselte, verglich er den finnischen Konzern mit einer "brennenden Ölplattform". Gelöscht hat der Manager das Feuer kaum - Nokias Anleihen wurden jüngst auf Ramschniveau abgestuft. Jetzt aber kehrt Elop mit dem Kern des Unternehmens, der Handy-Sparte, zurück in die USA - mit weiteren Nokia-Top-Managern und 32.000 Mitarbeitern.
Elop, der als Nachfolger von Microsoft-Chef Steve Ballmer gehandelt wird, könnte in Redmond eine Kehrtwende einleiten: Microsoft orientiert sich zunehmend an der Strategie der Konkurrenten Apple und neuerdings auch Google: Statt Software zu entwickeln, die weltweit auf möglichst vielen Geräten von möglichst vielen Herstellern läuft, will auch Microsoft künftig Hard- und Software aus einer Hand anbieten.
Die Übernahme von Nokia ist da nur konsequent: Zwar konnte sich Microsofts Windows Phone 8 im weltweiten Vergleich nach Apples iOS und Googles Android auf den dritten Platz vorschieben, hat das aber vor allem dem nachlassenden Interesse an Blackberry zu verdanken. Das Marktforschungsinstitut Gartner hat für das zweite Quartal 2013 einen Marktanteil von 3,3 Prozent für das Microsoft-System berechnet. Viel mehr als ein Nischendasein ist das vor allem gegenüber der Android-Dominanz von 79 Prozent nicht. Nur in Deutschland, England und Frankreich liegt Windows Phone 8 laut Kantar Worldpanel bei um die zehn Prozent.
Eine Alternative zur Übernahme hatte Microsoft kaum. Denn wäre Nokia pleitegegangen, hätte Microsoft das Wachstumsfeld Smartphones auch gleich komplett aufgeben können: Rund 80 Prozent der Smartphones, auf denen Windows Phone 8 läuft, stammen von Nokia. Die gut sieben Milliarden Dollar sind außerdem nicht schlecht angelegt: Als Elop den Chefposten bei Nokia übernahm, war das Unternehmen noch 33 Milliarden Dollar wert. Jetzt bekommt Microsoft Zugang zu Nokias Patenten.
Die Apple-Strategie: Kaufen statt entwickeln
Microsoft geht mit der Übernahme der Nokia-Handy-Sparte denselben Weg wie Apple: Statt Produkte im eigenen Haus zu entwickeln, kauft man sich das Know-how ein. Microsoft ist immer noch primär ein Software-Hersteller. Windows und Office sind die Produkte, die Geld einbringen, Hardware lief bisher nebenher. Wer noch vor wenigen Jahren die Entwickler der Microsoft-Mäuse und -Tastaturen besuchen wollte, fand sie angeblich im untersten Stockwerk des Microsoft-Hauptquartiers, was wohl auch ihren Stand in der Unternehmenshierarchie widerspiegelte.
Trotzdem hat der Konzern stets versucht, neue Hardware aus eigener Kraft zu entwickeln, statt wie Apple und Google nach interessanten Firmen zu suchen und sie zu übernehmen: Als Apple eine Musik-Software anbieten wollte, übernahm es die darauf spezialisierte Hamburger Softwarefirma Emagic und ließ sie Garageband und Logic Pro entwickeln. Als Google die Bildverarbeitungsmöglichkeiten seiner Dienste verbessern wollte, kaufte es Nik Software, die seit Jahren Software für Bildbearbeitung programmierten. Die Ergebnisse rechtfertigten in beiden Fällen den Preis.
Ebenso könnte es nun Microsoft durch den Zukauf von Nokia gehen. Das finnische Unternehmen, das bald zu dem US-Konzern gehören soll, hat viel Erfahrung mit der Entwicklung von Mobiltelefonen. Schon die aktuellen Lumia-Modelle können es technisch mit der Konkurrenz aufnehmen und werden mit einem Paket an Software und Diensten ausgeliefert, das seinesgleichen sucht. Indem Microsoft die Hardware-Entwicklung nun ins eigene Haus holt, lässt sich diese Verbindung noch enger knüpfen.
Kein Konzept für boomende Märkte in Asien
Es ist auch der Versuch, die Vergangenheit zu bewältigen, denn dass Microsoft nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft überzeugende Hardware zu bauen, hat der Konzern mit eindrucksvollen Flops mehrfach bewiesen.
Der Versuch, mit dem MP3-Player Zune ein Gegenstück zum erfolgreichen iPod zu etablieren, ist gründlich danebengegangen. Gutes Design und Software konnten nicht helfen. 2011 wurde die Produktion des Players, der nur in den USA verkauft wurde, eingestellt.
Lange bevor man von Smartwatches sprach, stellte Bill Gates 2003 die Spot-Uhr vor, einen Chronografen, der über ein eigenes Funknetz mit E-Mails und Nachrichten versorgt werden sollte. Geld sollten vor allem die Gebühren für die Netznutzung einbringen. Netz und Uhren gab es aber nur in Nordamerika, 2008 wurde der Verkauf eingestellt.
Als 2012 Apples dritte iPad-Generation und etliche Android-Tablets den Markt überschwemmten, legte Microsoft sein Windows-8-Tablet Surface vor. Es war schwer und teuer, kam spät und verkaufte sich so schlecht, dass es den Konzern 900 Millionen Dollar Verlust kostete.
Allein die Nokia-Übernahme sichert den Erfolg allerdings nicht, denn für die boomenden Handy-Märkte in Asien und Afrika hat Microsoft noch kein Konzept: Während einfache Android-Smartphones für deutlich weniger als hundert Euro im Handel sind, kosten billige Windows-Smartphones gut das Doppelte. In Europa kann man mit solchen Geräten noch viele Kunden erreichen, in weniger wohlhabenden Regionen nicht. Den Marktanteil von Windows Phone bis 2018 auf 15 Prozent zu treiben, wie es Microsoft vorhat, erscheint angesichts immer aggressiver auftretender chinesischer Hersteller als sehr ambitioniertes Ziel.
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quelle: -> http://www.spiegel.de/wirtschaft/unt...-a-920124.html