Als Mark Williams im September letzten Jahres das Vorstandsruder beim schlingernden Bezahldampfer Premiere übernahm, schien sich eine bislang nicht gekannte Form des Realismus in der Chefetage auszubreiten. Vorgänger Michael Börnicke hatte Aktionären und Pressevertretern auf jeder Hauptversammlung zu tiefroten Bilanzen und fallenden Kurven schlaraffenlandartige Prognosen über explodierende Kundenbestände aufgetischt. Williams begann hingegen mit einem Kehraus und bereinigte als erste Amtshandlung viel zu lange künstlich aufgeblähte Abonnentenzahlen.
Knapp neun Monate später sieht es so aus, als habe sich auch Williams dem Zwang gebeugt, seinen Investoren immer neue Superlative und verbale Gelddruckmaschinen zu präsentieren. Den Vogel schießt seine am Mittwochabend abgegebene Einschätzung ab, mit den neuen Sky-Paketen sei mittelfristig eine Marktabdeckung von 20 Prozent in Deutschland realistisch. Jeder fünfte TV-Haushalt in Deutschland soll sich den Luxus Bezahlfernsehen also künftig ein Bündel Euro-Scheine monatlich kosten lassen. Der weltweit stockende Konjunkturmotor scheint bei Premiere über eine geheime Turbo-Schaltung zu verfügen.
Free-TV-Paradies Deutschland nicht verstanden
Bei allem Respekt verkennt der Reformator und Murdoch-Schützling Williams hier die Realitäten. Das wenig einfallsreich aus Großbritannien importierte Sky-Konzept mag dort wegen der weitaus geringeren Zahl frei empfangbarer Vollprogramme funktionieren. Im größten Free-TV-Markt Europas, wo neben RTL, Sat.1, ProSieben, RTL2, Kabel1, Vox und Super-RTL, den Dritten Programmen und Dutzenden öffentlich-rechtlichen und privaten Spartensendern schon mehr Vielfalt geboten wird als bei manchem Bezahlanbieter im Ausland, kommt Williams' Ankündigung, den Sky-Fokus auf "Unterhaltung" zu verlagern der Idee gleich, in einem Freizeitpark mit kostenlosen Inklusivgetränken Bier für fünf Euro pro Flasche an den Mann oder die Frau bringen zu wollen.
Der Gemischtwarenladen namens "Sky Welt", mit dem als verbindlich zu buchenden Basispaket künftig alle Abonnenten für 17 Euro zwangsbeglückt werden, zeigt mit gut abgehangenen Serien und Spielfilmen sowie Zeichentrick und Dokumentationen vorrangig Ware, die man sich an anderer Stelle kostenlos erzappen kann. Würde Williams öfter mal in einer deutschen Programmzeitschrift blättern, hätte er längst erkannt, dass er in diesem Bereich nicht nur gegen ArenaSat oder die Premium-Pakete der Kabelnetzer antritt, sondern gegen eine seit Jahrzehnten beim Publikum etablierte Phalanx großer Medienkonzerne und kleiner Start-Ups.
Massive Preissteigerung für Fußball und Filme
Auch, wenn der neue *******-Lenker es vielleicht nicht wahrhaben will, Fußball und aktuelle Filme waren und bleiben Hauptattraktionen für zahlungswillige Neukunden. Und gerade die verschreckt die ab 4. Juli geänderte Preisstruktur nachhaltig. Knapp 33 Euro für die Fußball-Bundesliga, 45 Euro gar, wenn man noch Pokal und internationale Wettbewerbe verfolgen möchte, 50 Euro inklusive HDTV - dafür bekam man bislang das komplette Filmpaket plus "Premiere Star" obendrauf.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass es vor diesem Hintergrund schwer genug fallen wird, die aktuelle Klientel bei der Stange zu halten, wenn die bestehenden Verträge zu alten Premiere-Konditionen im nächsten Jahr auslaufen. Mit seiner Traumtänzer-Prognose, in absehbarer Zeit 7,4 Millionen Kunden begrüßen zu dürfen, dokumentiert Williams, dass er genau wie seine gescheiterten Vorgänger den deutschen Fernsehmarkt nicht wirklich begriffen hat.
Quelle: Hier