Motorplatzer in Südkorea
Vettels dunkelste Stunde
Von Johannes Korge
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dpa
Zehn Runden vor Schluss sprühte sein Wagen plötzlich Funken: Sebastian Vettel hat in Südkorea eine beeindruckende Leistung gezeigt, er fuhr dem Sieg entgegen - bis sein Red-Bull-Bolide spektakulär versagte. Trotzdem zeigt das Chaosrennen, wie viel der Deutsche dazugelernt hat.
Ein um fast zwei Stunden verzögerter scharfer Start, teils irreguläre Wetterbedingungen und Ausfälle in Serie - der Premieren-Grand-Prix von Südkorea dürfte noch lange für Gesprächsstoff sorgen. Ein Team wird das Rennen dagegen möglichst schnell vergessen wollen: Der Komplettausfall hat die Red-Bull-Piloten im Kampf um den WM-Titel von Favoriten zu Außenseitern gemacht.
Mark Webber mit einem Unfall in Runde 19 und der bis dahin Führende Sebastian Vettel mit einem Motorplatzer kurz vor Rennende machten den Weg frei für den Sieg von Ferrari-Pilot Fernando Alonso. Durch den Triumph im Regenrennen übernimmt der Spanier die Spitzenposition in der WM-Wertung. "Ich habe mir diesmal nichts vorzuwerfen. Da kann man nichts machen", sagte Vettel, der sich mit einem Erfolg seinerseits die WM-Führung gesichert hätte. Dann verdarb ihm die fehlerhafte Technik den schon sicher geglaubten Erfolg. Zehn Runden vor Schluss sprühte sein Auto plötzlich Funken, kurz darauf schlugen Flammen aus dem Heck des Red Bull. "Irgendwie ist das die Story des Jahres", fügte der sichtlich geknickte Vettel, der in der Gesamtwertung auf Rang vier abgerutscht ist, hinzu.
Tatsächlich zieht sich eine Serie verschenkter Pole-Positionen und vermeidbarer Ausfälle (siehe Kasten in der linken Spalte) wie ein roter Faden durch die Saison des 23-Jährigen, der sich eigentlich zum jüngsten Weltmeister der Formel-1-Geschichte hatte küren wollen. Dass sich Motorenlieferant Renault nach dem Rennen für den Defekt entschuldigte, dürfte ein schwacher Trost gewesen sein.
Trotz der Enttäuschung zeigt die souveräne Führungsarbeit in Yeongam, welche Entwicklung Vettel im Laufe der Saison durchgemacht hat. Nichts war zu sehen von der übertriebenen Aggressivität zu Saisonbeginn, die ihn so oft bessere Platzierungen gekostet hat.
Bei schwierigsten Bedingungen zog der Deutsche lange unbeeindruckt seine Bahnen, während hinter ihm die Konkurrenz reihenweise von der Strecke flog. Entsprechend häufig kam das Safety Car zum Einsatz, immer wieder musste sich Vettel bei den folgenden Re-Starts der Angriffe erwehren. Es gelang ihm jedes Mal im Stile eines Champions.
Dabei spielte er die Stärken seines Dienstwagens geschickt aus. Der RB6 ist der schnellste Bolide im Feld, 14 von 17 Qualifying-Sessions entschieden die Red-Bull-Piloten für sich. Das teaminterne Duell geht dabei klar an Vettel, neunmal stand er ganz vorn in der Startaufstellung. Bei allem Tempo erwies sich der Rennwagen aber auch ein ums andere Mal als bedenklich fragil. Allein viermal musste er in der laufenden Saison auf wertvolle Punkte verzichten, weil ihn sein Auto im Stich ließ.
Trost vom Teamchef: "Der Rennsport kann grausam sein"
Red-Bull-Teamchef Christian Horner versuchte, seinen Pech-Piloten zu trösten: "Sebastian und das Team haben alles richtig gemacht. Ein Motorplatzer ist immer ganz großes Pech, der Rennsport kann grausam sein."
Was sich vor dem Drama um Vettels Ausfall auf und neben dem brandneuen Kurs in Yeongam abgespielt hatte, erinnerte nur entfernt an einen regulären Rennbetrieb. Schon nach vier Runden waren die ersten Fahrer wieder aus ihren Cockpits geklettert. Sintflutartiger Regen hatte eine Weiterfahrt unmöglich gemacht.
Selbst hinter dem Safety Car, das die Rennleitung zum Auftakt des Großen Preises auf die Piste geschickt hatte, geriet die Fahrt zum Blindflug. "Das sind die schlechtesten Bedingungen, unter denen ich je gefahren bin", zeigte sich Ferrari-Mann Alonso beeindruckt. Vettel konnte als Führender nicht einmal das Safety Car erkennen, das wenige Meter vor ihm Runde um Runde das Feld anführte.
Lange Wartezeit für Fahrer und Zuschauer
Die Organisatoren hatten irgendwann endlich ein Einsehen und unterbrachen den Wettbewerb. Es folgten ein Geduldsspiel, bange Blick gen Himmel und auf das Wetterradar - der Grand Prix stand zu diesem Zeitpunkt, auch wegen der drohenden Dunkelheit, kurz vor dem Abbruch.
50 Minuten mussten die Fahrer warten, bis es hinter dem Safety Car erneut auf die Strecke ging. "Es ist ein wenig besser als vorhin. Aber die Gischt ist immer noch sehr stark", war dieses Mal das Urteil Vettels per Boxenfunk. Geradezu enthusiastisch zeigte sich dagegen Lewis Hamilton, der die Bedingungen als "sehr gut" bezeichnete. Die Intention hinter dieser überraschenden Einschätzung war eindeutig. Der Brite, als Vierter der WM-Wertung gestartet, wollte einen Rennabbruch unbedingt vermeiden. Der Wunsch des Weltmeisters von 2008 ging in Erfüllung, sein zweiter Platz in Südkorea lässt ihn in der Fahrerwertung auf Rang drei klettern. Angriff auf Alonso in São Paulo und Abu Dhabi
Am 7. November gastiert der Formel-1-Gemeinde zum vorletzten Rennen in Brasilien. Vettel, den 25 Punkte vom Spitzenreiter Alonso trennen, muss dort gewinnen. Nur so könnte er eine realistische WM-Chance bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi am 14. November wahren.
Vor einem Jahr verspielte der Deutsche in São Paulo mit einem katastrophalen Qualifying seine WM-Chance. Damals kam er mit der nassen Strecke nicht zurecht, sprach hinterher von "extrem kritischen Bedingungen". Nach der überzeugenden fahrerischen Leistung von Südkorea kann Vettel einer erneuten Regenschlacht zumindest entspannt entgegenblicken - und hoffen, dass endlich einmal Fahrer und Auto am selben Tag glänzen.Q.spiegel.de