Nur Siege können Klinsmann noch helfen



Die Luft für Jürgen Klinsmann beim FC Bayern München wird immer dünner. Spätestens nach dem spielerischen Offenbarungseid bei der 1:2-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln wird immer deutlicher, dass der Posten des Cheftrainers beim deutschen Rekordmeister für den Novizen auf der Bundesliga-Trainerbank doch eine Nummer zu groß sein könnte. Zu viele Fehler aus der Vergangenheit scheinen sich nun zu potenzieren. Zumal auch die Kritik aus der Mannschaft immer lauter wird.

Lucio kritisiert seine Nicht-Berücksichtigung und nach Philipp Lahm wünscht sich auch Stürmer Miroslav Klose eine neue taktische Ausrichtung. Dennoch ist dem 44-jährigen Coach die Trendwende zuzutrauen. Aber die muss schnell erfolgen. Der März mit sieben Spielen in 21 Tagen wird für Klinsmann der Monat der Wahrheit.

Beängstigende Fakten

Beim FC Bayern ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Die Fakten sind einfach nicht mehr wegzudiskutieren. Drei Pleiten in vier Spielen bedeuten den schlechtesten Start in eine Bundesliga-Rückrunde seit 34 Jahren. Der "gefühlte Herbstmeister" (Uli Hoeneß) rangiert in der Rückrunden-Tabelle auf Rang 16. Lediglich Tabellenschlusslicht Borussia Mönchengladbach (21) kassierte bisher zu Hause mehr Gegentreffer als der FC Bayern (19). Dass jetzt eine spielerisch limitierte Mannschaft wie Aufsteiger Köln relativ souverän drei Punkte aus der Allianz Arena entführen konnte, hat die Bayern-Welt bis ins Mark erschüttert.

Ruhe vor dem Sturm

Doch angesichts des bevorstehenden Champions-League-Spiels bei Sporting Lissabon bemühen sich die Bosse um Ruhe. Immerhin verzichteten sie in ihren Statements dieses Mal auf die gekünstelte Zurschaustellung des ohnehin abhanden gekommenen "Mir san mir"-Gefühls. "Da gibt es nichts zu beschönigen. Da muss mehr kommen", sagte Uli Hoeneß nach dem Köln-Spiel und verordnete wenig drauf, nicht in Hektik zu verfallen. Immerhin waren seine Aussagen gut abgestimmt mit Karl-Heinz Rummenigge, der Ähnliches verlauten ließ: "Wir müssen schnell die Kurve kriegen. Das wird in Lissabon beginnen müssen", so der Vorstandsvorsitzende. "Aber wir werden nicht eingreifen. Jetzt ist Ruhe gefragt."

Mannschaft geht auf Distanz zum Trainer

Mit der dürfte es allerdings ganz schnell vorbei sein, sollten sich jetzt keine Erfolge einstellen. Jetzt ist der Charakter der Spieler gefragt. Doch die haben mittlerweile ein glänzendes Alibi, schließlich hat Klinsmann in seiner bisherigen Amtszeit unnötig viele Brandherde eröffnet, die verdeutlichen, dass Erfahrung als Cheftrainer wichtig sein kann.

Viele kleine Baustellen

Angefangen hat es mit der bis heute nicht geklärten Stellung von Mark van Bommel. Erst zum Kapitän ernannt, dann auf die Bank verbannt und jetzt nur eine Ein-Jahres-Vertrag angeboten. Es ist kein Geheimnis, dass Klinsmann mit seinem verlängerten Arm nicht das beste Verhältnis pflegt. Gegen Köln hat er nun Abwehrchef Lucio vergrault, dem er eine Verschnaufpause auf der Bank gönnte. "Ich brauche keine Pause, ich bin topfit", sagte der brasilianische Nationalspieler nach dem Köln-Spiel angesäuert und fügte gegenüber dem "kicker" hinzu: "Ich bin enttäuscht. Ja, ich bin schon in meinem Stolz gekränkt."

Podolski und Donovan demotiviert

Genauso eierte Klinsmann im Fall Lukas Podolski herum. Nach der Degradierung zu Stürmer Nummer vier, sollte der Stück für Stück demotivierte Bald-Kölner gegen seinen zukünftigen Klub plötzlich von Anfang an die Kohlen aus dem Feuer reißen und enttäuschte auf ganzer Linie. Doch auch der zwischenzeitliche Stürmer Nummer drei, Landon Donovan, wurde die Motivation geraubt, als die Klubbosse verkündeten, den Klinsmann-Liebling keinen Vertrag über März hinaus geben zu wollen.

Auch Klose meldet sich zu Wort

Zuletzt meldeten sich auch immer wieder Spieler öffentlich zu Wort und kritisierten die Taktik des ehemaligen Bundestrainers. So sollen angeblich kaum Spielzüge im Training geübt werden und immer nur die Fitness im Vordergrund stehen. Ganz zu schweigen vom Einüben einer geordneten Defensive. "Wir müssen in der Offensive defensiv besser geordnet sein und dürfen nicht so leichtsinnig den Ball verlieren", sagte Philipp Lahm. "Das ist eine Frage der Taktik und der Disziplin, ich habe das auch mit dem Trainer besprochen", gab der Nationalspieler kürzlich ungewohnt offen zu Protokoll. Im "kicker" legt jetzt auch Miroslav Klose nach: "Wir waren am stärksten, wenn wir kompakt standen. Wir müssen besser umschalten, vor allem bei Ballverlust."

Lucio vergrault

Doch gegen Köln wurde noch etwas ganz anderes offensichtlich, etwas, was Klinsmann tatsächlich den Job kosten könnte. Sein Credo "jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen", ist weit und breit nicht zu sehen. Zé Roberto, Bastian Schweinsteiger, Daniel van Buyten, Franck Ribery oder auch der eingewechselte Tim Borowski machen eher den Eindruck, dass sie Tag für Tag ein wenig mehr die Lust verlieren. Alternativen, um den Arrivierten Druck zu machen, gibt es nicht mehr. Top-Talente wie Toni Kroos (Bayer Leverkusen), Mats Hummels (Borussia Dortmund) und Marcell Jansen wurden ohne Not an die Konkurrenz abgegeben.

"Wir sind auf einem guten Weg"

Kommt dann noch dazu, dass van Bommel und Co. einen so leidenschaftslosen Eindruck hinterlassen wie gegen Köln, dürfte dem Bayern-Coach auch seine letzte Stärke flöten gehen. Schließlich fordert Klinsmann stets emotionale Auftritte von seiner Mannschaft. "Wir sind auf einem guten Weg", wiederholt er gebetsmühlenartig. Doch er darf nicht vergessen, dass beim FC Bayern nicht der Weg, sondern der Titel das Ziel ist. Wie sagte sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld immer: Mich interessiert die Zukunft nicht, ich schaue immer nur, dass ich die nächsten drei Spiele überstehe. Vielleicht sollte Klinsmann doch mal einen Rat von Hitzfeld einholen. Denn Hoeneß will seine letzte Saison als Bayern-Manager mit Sicherheit nicht auf einem UEFA-Cup-Platz beenden.

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