Lange bevor die Kommerzialisierung Einzug gehalten und TV-Stationen für die Übertragungsrechte Millarden-Euro-Beträge hingeblättert haben, glichen die Olympischen Spiele noch mehr einem Kindergeburtstag mit teils kuriosen Bewerben.
Zwar galt auch schon damals das eigentlich erst 1924 erdachte Motto "Altius, cititius, fortius" (Höher, schneller, weiter/stärker), doch bezog sich das zum Teil auf "Sportarten", die im heutigen Programm nie und nimmer Einlass finden würden.
Schwer vorzustellen ist nämlich, dass es etwa für das Weitspucken eines Tabakpatzens oder für Sackhüpfen um die Wette, wie es in St. Louis 1904 der Fall war, auch noch im Jahr 2008 eine Goldmedaille geben könnte.
"Eine ganz andere Sache"
"Das war eine ganz andere Sache, vor allem in den Anfängen, als es noch keinerlei Richtlinien gab", sagte David Wallechinsky, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft der Olympiahistoriker (ISOH). "Erst als die Spiele größer wurden, mussten sie die Sache wesentlich ernster nehmen."
Das war auch bitter notwendig, denn die Spiele gingen förmlich über vor Spaßbewerben. Seilklettern, Tonnenspringen und Tauziehen belustigten die Leute. In letzterer Kategorie konnte man überhaupt gleich bei sechs Olympischen Spielen (1900 bis 1920) Edelmetall erringen.
Programmgestaltung in Eigenregie
Grund für die ausgefallene Programmgestaltung war: Die Veranstalter konnten in Eigenregie über die ausgetragenen Bewerbe entscheiden. Außerdem gab es keine Nationalteams. Wer mitmachen wollte, schrieb sich gegen eine Gebühr ein und nahm teil.
Erst nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Lage, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Auswahl übernahm. Auslöser dafür war die Weigerung Stockholms im Jahr 1912, Boxen in das Programm aufzunehmen.
"Unterhaltung für den Pöbel"
Bevor das aber geschah, war Olympia ein Tummelplatz für Kuriositäten. "Es war wahrscheinlich unglaublich belustigend und in erster Linie Unterhaltung für den Pöbel", sagte der Olympiahistoriker John Lucas.
Eine davon war sicherlich das Pistolenduell bei den ersten Spielen 1896. Die "Athleten" schossen dabei aber freilich nicht aufeinander, sondern auf in Kleider gehüllte Schaufensterpuppen mit Zielscheiben auf der Brust.
Schießen auf lebende Tauben
In Wildwest-Manier war in den olympischen Anfängen überhaupt eine gewisse Affinität zum Schießen vorhanden. In Paris 1900 wurde zum Beispiel auf lebende Tauben geballert - in Zeiten von Tierschutzorganisationen wie WWF, PETA und Co. in der Gegenwart unvorstellbar.
An die 300 Tiere ließen damals ihr Leben und hinterließen ein "Sportfeld" voll Blut und Federn. Olympiasieger wurde übrigens der Belgier Leon de Lunden mit 21 Treffern - zum Glück der Einzige in der Geschichte.
Die Spiele in Paris, die wegen der Weltausstellung über 162 Tage gingen, waren überhaupt vollgestopft mit abstrusen Bewerben und mutierten ebenso wie die Spiele in St. Louis vier Jahre danach zu einer absurden Inszenierung der olympischen Idee. Unter anderem waren Kanonenschießen, Wettangeln und Drachensteigen mit von der Partie.
Hindernisschwimmen und Kopfweitsprung
Aber auch die Schwimmbewerbe, übrigens eine von nur drei Sportarten, die sich sich seit Beginn im Programm halten konnten, hatten noch ein etwas anderes Gesicht als in der Neuzeit.
Da normales Schwimmen viel zu fad war, ging es um Weittauchen, Kopfweitsprung (hineinspringen und warten, bis der Auftrieb einen ohne Bewegung wieder an die Oberfläche holt) und Hindernisschwimmen. Bei Letzterem mussten die Athleten in Paris 200 Meter in der Seine zurücklegen und dabei Boote überwinden, unter Schiffen durchtauchen und auf Stangen klettern.
Literaturgold für Coubertin
Von 1912 bis 1948 wurden auch Kunstwettbewerbe durchgeführt, die allerdings in keinen offiziellen Medaillenstatistiken aufscheinen. Architektur, Bildhauerei, Malerei, Literatur und Musik wurden prämiert.
Die erste Kunst-Goldmedaille in Literatur im Jahr 1912 wurde George Hohrod und Martin Eschbach für ihre "Ode an den Sport" zugesprochen. Später stellte sich heraus, dass diese Namen Pseudonyme waren. Der wahre Verfasser war mit Baron Pierre de Coubertin niemand anders als der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit.
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