Wie der Blog von Jurastudenten Telemedicus und die Rechtsanwälte von Aufrecht.de kürzlich berichteten, hat das Amtsgericht Hamburg-Altona zu Ungunsten zweier Tonträgerhersteller entschieden. Der Inhaber des Internetanschlusses kann nach Ansicht des Gerichts ohne weitere Ermittlungen für über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen nicht verantwortlich gemacht werden. Dies ist nach Ansicht des Gerichts Willkür. Die Weitergabe von Daten durch die Staatsanwaltschaft, die den Anschlussinhaber aufgrund seiner IP-Adresse identifiziert hat, wurde darüber hinaus als rechtswidrig bezeichnet. Für deutsche Filesharer ein Hoffnungsschimmer am Horizont?

Am Abend des 22.10.2006 entdeckten zwei nach eigenen Angaben führende deutsche Tonträgerhersteller 696 Musikdateien, die in einer Tauschbörse des Internets illegal zum Herunterladen angeboten wurden. Aufgrund der festgestellten IP-Adresse wurde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet. Die ermittelte beim Provider die Anschrift des vermeintlichen Filesharers und gab die Informationen an die Anwälte der Plattenfirmen weiter. Es folgte die Zustellung der obligatorischen Abmahnung, die sich jedes Jahr tausendfach wiederholt. Der Frau wurde mitgeteilt, dass die Kosten der Inanspruchnahme der Rechtsanwälte der Beklagten zu ihren Lasten gehe. Man berechnete ihr einen Gegenstandswert pro Musiktitel in Höhe von 10.000 Euro. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, einem Vergleichsangebot mit 4.000 Euro Strafe zuzustimmen und eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Die beklagte Frau bestritt jedoch vehement die ihr gemachten Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft hatte bei dem Auskunftsverfahren einen Fehler begangen, es traf die falsche Person. Am Tag des Zugangs des Schreibens rief der Ehemann der Klägerin einen der Rechtsanwälte der Tonträgerfirmen an und versuchte den Sachverhalt zu klären. Der beauftragte Rechtsanwalt hielt jedoch am Verfahren in vollem Umfang fest. Daraufhin drehte sich das Bild: Die unschuldige Frau wurde zur Klägerin und verlangte Schadensersatz für die entstandenen Anwaltskosten.

Die Rechtsanwälte der Frau wiesen mit Schreiben vom Februar 2007 die Ansprüche der Tonträgerunternehmen zurück und teilten mit, nach Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Lüneburg auf die Angelegenheit zurückzukommen. Am 8.2.07 kam es zu einem Telefonat zwischen den beteiligten Verfahrensbevollmächtigten der Plattenfirmen und der Frau. Man drohte ihr mit einer Beantragung einer einstweiligen Verfügung, falls sie keine Unterlassungserklärung abgeben würde. Die Anwälte der Frau reichten eine Schutzschrift beim Landgericht Lüneburg ein. Man bat die Staatsanwaltschaft Lüneburg um eine erneute Überprüfung der IP-Adresse. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg antwortete, dass ein Täter jetzt nicht mehr zu ermitteln sei. Tatsächlich wäre die falsche Person der IP-Adresse zugeordnet worden. Die korrekten Daten lagen wegen der Löschfrist von 90 Tagen aber nicht mehr vor.

Die Plattenfirmen nahmen ihre Vorwürfe zurück, die entstandenen Anwaltskosten, die sie selber künstlich in die Höhe getrieben haben, wollten sie dennoch nicht tragen. Wegen der fehlerhaften Ermittlungen sollte sich die Frau nach den Vorstellungen der Musikfirmen an die Staatsanwaltschaft wenden, was sie aber nicht tat. Der Rechtsanwalt machte gegenüber den Tonträgerfirmen entsprechend des extrem hohen Gegenstandswertes (wir erinnern uns: 10.000 Euro pro Musikstück) sehr hohe Anwaltskosten geltend, was die Plattenfirmen mit ihrem Schreiben vom März zurückgewiesen haben.



Trennung von Strafrecht und Zivilrecht

Die Klägerin meint, es greife der Grundsatz der Trennung des Strafrechts vom Zivilrecht, sodass es für die Inanspruchnahme unerheblich sei, woher die Beklagten ihre Informationen hätten. Das Verschulden der Musikindustrie sei angezeigt, man könne sich nicht darauf zurückziehen, dass man den Angaben der Staatsanwaltschaft "blind" vertraut hätte. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin ohne Erfolg telefonisch versucht hatte, den Tatbestand zu korrigieren und dadurch das Verfahren abzubrechen. Das Gericht gab ihr Recht. Weil eine Person Inhaber eines Internetanschlusses ist, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass diese auch für alle über den Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen verantwortlich sei. Der Vorwurf einer strafrechtlichen Urheberrechtsverletzung sei in diesem Fall eine schwer wiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Weiterhin stellte das Gericht fest, dass die Staatsanwaltschaft nicht berechtigt gewesen sei, die Adresse aufgrund der IP-Adresse weiterzugeben. Es gelte die Unschuldsvermutung, die Daten hätten vertraulich behandelt werden müssen. Eine Auskunft sei in diesem Fall zu verweigern.

Nachdem sich in der Vergangenheit schon einzelne Staatsanwaltschaften gegen die Abmahnwelle der Musikindustrie verwehrt haben, urteilt nun auch ein Gericht gegen diese Praxis. Sollte sich die Rechtsauffassung des AG Hamburg-Altona durchsetzen, wäre dem Versuch der Musikindustrie, ihre Rechte durch Massenabmahnungen durchzusetzen, vorerst ein Riegel vorgeschoben.
Ein Lichtblick?