Lange Bein*, schales Bier und Brunftschreie - Hilfe, es ist Karn*val
An dieser Stelle gehen wir dahin, wo es so richtig weh tut. Unser Autor hat sich die ZDF-Sendung "Karnevalissimo" angeschaut und ist der Frage nachgegangen: Warum tun sich Leute das an? Immerhin fand er ein paar Cheerleader, auch wenn sein Besuch sofort das Weite suchte.
Berlin - Hey, da ist der schon. Nur zehn Sekunden und das blonde Moderatorenpärchen Janine Kunze und Guido Cantz werfen den ersten flachen Witz ins Publikum. Wie ein hauchdünner Kieselstein übers Wasser, trumpft er bei der bunten Biertischbesatzung im Saal auf - das Lachen schlägt Laola-Wellen, der Verstand geht unter. Das ist auch gut so, wir gucken schließlich "Karnevalissimo".
Wir? „Gut, dass ich nicht da bin“, sagt mein Besuch und verabschiedet sich. Gebürtiger Friese. Ganz schön ignorant. Dass Norddeutsche Angst vor Karneval haben, hat wohl etwas mit der Genetik zu tun. Kein Rätsel, welches ich heute Abend lösen möchte. Ich versuche zu verstehen, warum tun sich Leute das an: Karneval im Fernsehen?
Es gibt doch schließlich Fips Asmussen. Der tourt fast das ganze Jahr über, kalauert sich von Stadt zu Stadt, presst seine Komik auf Schallplatten und CD´s und kaum werden die Sachen zu Hause aufgelegt, ist Karneval. Was die Stars der Fasching-Shows offensichtlich nicht verstehen: Gute Witze gehen über Ohr ins Hirn, zünden im günstigen Falle ein Synapsenfeuer und es wird lustig. Niemand findet den Anblick von Clowns in übergroßen Hosen, Karohemden und Pappnasen witzig. Zumindest nicht nach der Pubertät. Was soll also das Verkleiden?
Die Cheerleader des 1.FC Köln
Wenn schon gewagte Klamotten anziehen, dann bitte so wie die Cheerleader des 1. FC Köln es machen. Ein Höhepunkt des Abends. Man sieht es ganz genau, ihre Verkleidung treibt vielen im Saal ein Grinsen ins Gesicht. Bei ihrem Einmarsch steht alles und sie tanzen sehr unterhaltsam. Nur viel zu kurz.
Alle sind jetzt in Schunkelstimmung, „Kölle Aalaf!“, brüllt irgendein Komiker, ich hol mir schnell aus dem Kühlschrank ein Bier. Witze über Alkohol sind Standart bei diesen Sitzungen, dass Trinken offensichtlich auch und wer hat gleich noch mal gesagt es sei irgendwie verdächtig, wenn man in Gesellschaft nicht mittrinke? Genau, prost!
Da ist ja auch ein Bauchredner mit einer Affenpuppe, wirklich lustig: Mensch zur Puppe: „Wir sind hier im ZDF, weißt du? Mit dem Zweiten sieht man besser“ Puppe: „Und mit den Dritten frisst man schlechter.“ Mein erster Lacher an diesem Abend. Warum nur kommt der Witz beim Publikum nicht an?
Von Hexen, Piraten und Robin Hoods
Vielleicht hören sie gar nicht richtig zu. Hexen sitzen neben Piraten, Robin Hood stößt mit einem Sträfling an, die meisten feiern. Wenn gelacht wird, lacht man einfach mit, sonst gibt es Rippenstöße. Das ist wohl nicht anders als beim ARD-Programm mit Dreigestirn und Elfenrat. Nur, das Tanzmariechen vermisse ich. Und Werbepausen. Meine Schunkelstimmung ebbt langsam in ein leichtes Kopfschütteln ab.
Sollen die Sitz-Karnevallisten feiern, wie sie wollen. Beim Abspann wird mir Angst und Bange. Ich stelle mir vor, Außerirdische empfangen aus Versehen das vom Zweiten Deutschen Fernsehen ausgesendete Signal. Ob die wohl eine Quarantänezone um die Milchstraße ziehen? Oder kommen sie zum nächsten "Karnevalissimo" zu Besuch, um mitzufeiern? Grüne Männchen würden im Publikum kaum auffallen. Ich weiß nur eines, leibhaftig begegnen möchte ich solch einem komischen Volk nicht und schalte dankbar ab.
Quelle:
http://www.welt.de/data/2007/02/08/1206275.html
