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sunnyjonny
23.02.07, 19:15
Netzeitung zu verkaufen
Glaub mir!
Die Netzeitung steht zum Verkauf und putzt sich heraus - gerade noch rechtzeitig.
Von Christoph Kappes

Als Michael Angele und Matthias Ehlert zum Jahreswechsel die Chefredaktion der nur im Internet erscheinenden Netzeitung (NZ) übernahmen, hieß es, sie würden ,,frischen Wind‘‘ in die Berliner Redaktionsräume blasen. Der norwegische Mutterkonzern Orkla will die NZ verkaufen und verhandelt derzeit mit Interessenten über den Preis. Da stehen Erfolgsversprechen gut zu Gesicht.

Wie auch eine optische ,,Entschlackung‘‘ (Angele): Seit Mittwoch tritt die NZ nach einem Relaunch ihrer Homepage in frischem Gewand auf. Ein Neustart ist auch vonnöten: Im vergangenen Jahr verlor die NZ den Titel ,,meistzitiertes Internetmedium‘‘ an Spiegel-Online.

Längst haben andere bessere Besucherzahlen. Auch die Begeisterung über den Bürgerjournalismus, über den Leser als Reporter, hat sich gelegt. Wo soll er also herkommen, der frische Wind?

"Die Szene ist empfindlich"
Aus dem Internet selbst. Das glauben jedenfalls Angele, 42, und Ehlert, 39, die sich von den Berliner Seiten der FAZ kennen. Die NZ soll nach Vorstellung der beiden die zahllosen Quellen anzapfen, die im Netz vor sich hin sprudeln.

Vieles, was durch den Mit- und Selbermach-Kosmos des Web 2.0 - also durch Internet-Tagebücher (Blogs) und Diskussionsforen - schwirrt, könnten Redakteure aufbereiten. ,,Rückübersetzen ins Web 1.0‘‘, sagt Angele. Aus einer Gerüchteküche mit vielen Köchen eine Story machen. Angele: ,,Eine Zeitung aus dem Netz für das Netz.‘‘ Die Idee ist nicht ganz neu.

Man kann das parasitären Journalismus nennen. Ehlert nennt es Lokaljournalismus: ,,Die Netzeitung hat den größten Lokalteil der Welt: das Internet.‘‘ Und sie bedient sich des größten Reporterpools: der Nutzer des Web 2.0. Deren Geschichten erscheinen unter dem Namen des Redakteurs, mit dem Zusatz: ,,Für das Web ediert von ...‘‘. Das verspricht zumindest: ausgewählt, geprüft, überarbeitet.

Die NZ will sich ja vom Bürgerjournalismus unterscheiden. Angeblich trauert hier keiner der Readers Edition nach, einer von Lesern verfassten Ausgabe, die der ehemalige NZ-Geschäftsführer und Chefredakteur, Michael Maier, bei seinem Ausscheiden mitgenommen hat. Nicht alles, was da zu lesen ist, sei des Lesens wert, meint Angele. Gleiches gelte für Internet-Tagebücher. Es gebe mittlerweile eine ,,Hysterie um Blogs‘‘. Journalisten als Bloggern misstraue man im Internet, wo man sich gerne anarchisch gibt: ,,Da ist die Szene empfindlich.‘‘

Personal-Schwäche zur Stärke machen
Ach ja, die Szene. Eine NZ-Gemeinde stellt sich Angele so schizophren vor wie jene, die früher ,,den Playboy in die FAZ eingewickelt‘‘ hätten. Im Internet müsse man stärker als im Printbereich das Boulevardbedürfnis des Lesers befriedigen. Deshalb richtete die NZ eine ,,Small Talk‘‘-Sektion ein. Oben rechts auf der Seite. So in die Ecke gestellt, könne man sich von der ganzen Sache ,,auch wieder distanzieren‘‘, sagt Ehlert - irgendwie schizophren, aber wohl normal.

Das ernste Geschäft stemmt die NZ hauptsächlich mit Agenturen. Eigens recherchierte politische Hintergrundberichte wären wohl auch zu viel verlangt von einer Redaktion, hinter der kein Print-Verlag steht und die mit einem Blick zu übersehen ist: Zwölf Redakteure surfen, wählen aus und redigieren für die NZ im Großraumbüro von sieben bis 22 Uhr. Für Spiegel-Online arbeiten fast fünf Mal so viele Redakteure.

NZ-Chef Angele weiß die Personal-Schwäche in eine Stärke umzudeuten. Im Vergleich zu den Dickschiffen des Internet-Journalismus verfüge die NZ über eine gewisse Glaubwürdigkeit: ,,Es gibt eine Net-Credibility, ähnlich der Street-Credibility‘‘ - weil hinter der NZ kein großer Verlag stehe. Um den Ruf zu kultivieren, ein wildes Gewächs des Internets zu sein, bemüht man sich bei der NZ, vor allem die Sprache des Netzes zu sprechen: ,,kurz, schnell, prägnant, witzig‘‘.
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Quelle+mehr:HIER (http://www.sueddeutsche.de/,rm4/computer/artikel/170/103067/)


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