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Ratatia
28.06.08, 02:24
Kriselnder Bezahlsender Premiere
Murdochs Liebesgrüße aus London
Von Marcus Theurer

Was hat Medienmogul Murdoch mit Premiere zu vor?27. Juni 2008 Wie das Leben so spielt, sitzen im Münchner Vorort Unterföhring, gleich gegenüber voneinander zwei Fernsehunternehmen, die zweierlei gemeinsam haben: Sowohl Premiere als auch Pro Sieben Sat.1 haben erstens schon bessere Zeiten gesehen und zweitens neuerdings Hauptaktionäre, die vielen in Deutschland nicht geheuer sind.

Bei Pro Sieben Sat.1 sind seit einem Jahr die gemeinhin als „Heuschrecken“ verschrieenen Finanzinvestoren Permira und KKR am Ruder. Seither ist der Aktienkurs der Sendergruppe mit einer Wucht talwärts gerauscht, wie die Isar bei Tauwetter. Fast der gesamte ehemalige Vorstand von Pro Sieben Sat.1 hat mittlerweile Reißaus genommen.

Auf der anderen Straßenseite sitzt Premiere-Vorstandschef Michael Börnicke zwar noch an seinem Schreibtisch. Doch er muss sich gewaltig abstrampeln, um seinen notorisch defizitären Bezahlsender über der Wasserlinie zu halten. Mit im Premiere-Boot sitzt seit Jahresanfang der von Rupert Murdoch kontrollierte amerikanische Medienkonzern News Corp. Der 77 Jahre alte Milliardär genießt hierzulande seit Jahrzehnten den zweifelhaften Ruf eines gerissenen Medienhais. Mit Schaudern beschrieben deutsche Medienjournalisten vergangenes Jahr ihren Lesern, wie sich die Belegschaft der amerikanischen Wirtschaftszeitung Wall Street Journal monatelang so heftig wie vergeblich gegen eine Übernahme durch den ungeliebten Murdoch wehrte.

Bei Premiere ist News Corp. mit 25,01 Prozent Hauptaktionär. Gegen die Sperrminorität der Amerikaner können damit keine grundsätzlichen Entscheidungen mehr getroffen werden. In einem Überraschungscoup war Murdochs Sohn James, der von London aus das Europa- und Asiengeschäft der News Corp. leitet, im Januar bei dem Bezahlsender eingestiegen. Murdoch Junior düpierte mit seinem kurzentschlossenen Geschäft damit den französischen Medienkonzern Vivendi, der ebenfalls Interesse an Premiere gehabt hatte.

Seither ist ähnlich wie bei Pro Sieben Sat.1 auch bei Premiere das Rätselraten groß: Was haben die Hauptaktionäre vor? Will James Murdoch den Sender ganz übernehmen? Und wieviel Kredit hat Börnicke noch? Der Senderchef war bis vergangenen Sommer nur der Mann für die Zahlen. Erst als der charismatische Premiere-Lenker Georg Kofler überraschend das Handtuch warf, rückte der damalige Finanzvorstand an die Spitze.

Die Gerüchteküche brodelt

Am Freitag kochte die Gerüchteküche wieder einmal. Murdoch denke darüber nach, Premiere ganz zu übernehmen und wolle seine eigenen Leute im Management platzieren, schrieb ausgerechnet das Wall Street Journal. Bisher hat James Murdoch dagegen nur zwei Sitze im auf sechs Mitglieder aufgestockten neuen Premiere-Aufsichtsrat für die News Corp. reklamiert. In der Öffentlichkeit sind die neuen Machthaber bislang gar nicht in Erscheinung getreten.

Von übernächster Woche an könnte ein Premiere-Übernahmeangebot für Murdoch jedenfalls deutlich günstiger werden als bislang. Denn dann läuft eine Sechsmonatsfrist ab, in der er börsenrechtlich verpflichtet ist, den anderen Aktionären mindestens dieselben 17,50 Euro je Premiere-Aktie zu zahlen, die er selber im Januar hinblätterte. Mittlerweile hat das Papier dagegen rund 20 Prozent verloren. Murdoch könnte also viel billiger zukaufen.

Übernahme noch nicht in Sicht

Trotz des nahenden Stichtags ist allerdings zumindest kurzfristig nicht mit einer Komplettübernahme zu rechnen. „Es gibt bisher keine Vorbereitungen für ein Übernahmeangebot“, heißt es im Murdoch-Lager. Im Umfeld der News Corp. wird zudem bezweifelt, ob die Amerikaner den Sender überhaupt ganz haben wollen. „Murdoch reicht es aus, dass er das Schiff steuern kann, dazu braucht er keine 100 Prozent“, heißt es. Auch in anderen Ländern zieht die News Corp. mit Minderheitenanteilen erfolgreich die Fäden. Beim britischen Bezahlsender BSkyB, einem Schwergewicht im europäischen Fernsehmarkt, etwa hält Murdoch nur knapp 40 Prozent und kann mit diesem Anteil weitgehend frei schalten und walten.

Der Premiere-Chef allerdings wird den Druck aus London kräftig zu spüren bekommen. „Börnicke und James Murdoch verstehen sich super“, wird zwar in München gestreut. Doch hinter den Kulissen klingen die Ansagen vom Großaktionär wenig harmoniebedürftig. „Wenn der Vorstand das tut, was der Hauptgesellschafter will, muss er auch nicht ausgetauscht werden“, heißt es.

Börnicke wird vor allem an zwei Aufgaben gemessen: Die News Corp. erwartet, dass Premiere die Quote der Schwarzseher, die dem Sender in den vergangenen Monaten schwer zu schaffen gemacht haben, wie versprochen rasch sinkt. Und der Premiere-Vorstand müsse bei der anstehenden Versteigerung der für Premiere essentiellen Fernsehrechten für die Fußball-Bundesliga einen für den Sender guten Vertrag aushandeln. „Börnicke hat das volle Vertrauen des Hauptaktionärs“, heißt es in München. Das freilich hieß es über seinen Kollegen Guillaume de Posch vor wenigen Wochen auch noch. Der Belgier, bislang Vorstandschef von Pro Sieben Sat.1 verlässt dass Unternehmen zum Jahresende.


Text: F.A.Z.
Quelle (http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E2FEDB285C481456FBC161FE175186074~ATpl~Ecommon ~Scontent.html?rss_googlefeed)