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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ein "Kill" kostet 30 Dollar



Burgerdri
24.04.08, 01:50
Neid, Missgunst und Lügen - sie alle lauern im Web und hat man sie erst einmal gegen sich, ist der Ruf innerhalb von Stunden dahin. Es sei denn, man zwingt es dazu. Wie technische Dienstleister versuchen den guten Ruf im Internet zu verteidigen.
MOUNTAIN VIEW. Da lacht Michael Fertik nur trocken: ",Wer anständig lebt, muss im Web nicht um seinen Ruf besorgt sein?´ - Das ist der Witz überhaupt!" Neider, Miesmacher, eifersüchtige Ex-Partner, Konkurrenten, gehässige Mitschüler, gefeuerte Manager - sie sind alle da draußen und wenn man in ihr Visier gerät, ist ein Ruf innerhalb von Stunden ruiniert. Gründlich und für immer, denn das Web vergisst nichts. Es sei denn, man zwingt es dazu. Und das macht der 29-jährige New Yorker mit seinem 2006 gegründeten "Reputation Defender".

Fertik ist der Robin Hood der Blogosphäre, der Sherlock Holmes 2.0 der Datenbanken. Er hilft Menschen und Firmen, die sich zu Unrecht verfolgt oder im Web gedemütigt fühlen. Jeder kann in Google den eigenen Namen eingeben - und erlebt zuweilen eine unangenehme Überraschung. Aber dann die Verantwortlichen für üble Nachrede zu finden und anzusprechen, das ist eine andere Sache.
Dafür aber sind die 50 Mitarbeiter in den schlichten Büros direkt am lauten Highway 101 im kalifornischen Mountain View da. Sie finden heraus, wer hinter anonymen Blogs steht oder spüren den Namen des Webmasters der schlüpfrigen Foto-Webseite aus Katmandu auf, der in Wirklichkeit in Delmenhorst sitzt.
Denn ein harmloses Nacktfoto aus besseren Zeiten, anonym veröffentlicht, hat schon so manche Karriere beendet, bevor sie begonnen hat. Vom wütenden Ex ins Web gestellt, kommt die Quittung viele Jahre später. Dann etwa, wenn der Personalchef nicht nur den Lebenslauf der Bewerberin intensiv studiert hat. Eine ganze Branche hat sich darauf spezialisiert, für ihre Auftraggeber alles über eine Person zusammenzutragen, was man im Web finden kann.
Private Informationen, die ein Betroffener gar nicht selber eingegeben hat, und üble Nachrede werden ein ernstes Problem, bestätigt Udo Vetter, Rechtsanwalt in Düsseldorf und Autor des Lawblog (www.lawblog.de). "Oft stoßen Menschen nach Jahren durch Zufall auf Dinge, die ihnen schaden und eine Existenz vernichten können." Vetter kennt und vertritt beide Seiten: Opfer von Rufmord und Schmähkritik, aber auch zu Unrecht abgemahnte und mit Prozessen überzogene Webmaster und Blogger.
Sich zu wehren lohnt sich mittlerweile. "Die Rechtsprechung ist schon sehr gefestigt", weiß er. Aber man muss auch - wie im wahren Leben - erst einmal mühsam zu seinem Recht kommen.
Ein "Kill" kostet bei den kalifornischen Daten-Ghostbustern 30 Dollar. Das ist zum Beispiel die Löschung aller illegal hochgeladenen Privatfotos von einer Seite oder einer falschen Tatsachenbehauptung.
Als erstes gibt es eine sehr amtlich aussehende E-Mail mit Rechtsbelehrungen, Argumenten, Beweisen und der Bitte um Löschung. Der beste - und billigste - Weg ist immer gegenseitiges Einvernehmen, sagt Fertik. Ist ein Anonymus erst einmal enttarnt, werden selbst "härteste Kotzbrocken" schnell gesprächsbereit.
Manchmal kommt aber nur ein "F*ck you, assh*le" zurück. Dann folgt Eskalationsstufe zwei: dranbleiben, nerven, so wie ein Inkassobüro. Den Ombudsmann ansprechen, wenn vorhanden, Internet-Provider, Webmaster oder Arbeitgeber des Verweigerers. Mancher Chef weiß gar nicht, was sein Angestellter auf den Servern der Firma so alles betreibt.
"Stufe drei" will Fertik nicht so gerne ausbreiten, aber die Devise lautet "(extrem) hart, aber fair." Hilft alles nichts und der Tatbestand ist schwerwiegend, rät Fertik, der Jura an der Harvard Law School studiert hat, zum Anwalt zu gehen. Er gibt die 30 Dollar zurück und die Unterlagen für einen Prozess heraus - "Good luck".
Als technische Dienstleister können Firmen wie Reputation Defender, dessen jüngster deutscher Kooperationspartner myon-ID.de, oder andere Anbieter der Branche sinnvoll sein, sagt Anwalt Vetter. "Anwälten fehlt oft das Know-How um Web-Identitäten zu ermitteln.. Da kann das helfen, den Vorgang zu beschleunigen."
Oft genug hilft Betroffenen aber auch nur, tief durchzuatmen und die Wut herunterzuschlucken. "Nicht alles, was mir missfällt, ist auch verboten", sagt Vetter. Einen Überblick, was man sich auch als Unternehmen so alles gefallen lassen muss (oder nicht), liefern Seiten wie www.mittelstandwiki.de. Danach kann man immer noch zum Web-Terminator gehen.

Quelle:
http://www.pcwelt.de/start/sicherheit/backup/news/157782/ein_kill_kostet_30_dollar/